Kürzlich habe ich
eine Kunstausstellung besucht, in der es erlaubt und auch erwünscht war, die
Werke anzufassen. Zum Teil konnte man sogar in sie hineingehen. Für mich war es
ein besonderes Erlebnis, Kunst nicht nur aus gebührendem Abstand zu
betrachten, sondern auch zu erfühlen und z. B. die Wirkung von Licht auf das
jeweilige Werk aus verschiedensten Perspektiven zu erleben.
Wie es wohl wäre,
wenn man der Mona Lisa über die Wangen streichen dürfte? Oder ein Gemälde van Goghs
berühren und so eine Brücke zum Maler schlagen könnte? Soweit wird es aber
nicht kommen. Überall lauern Wärter und drängen auf einen Sicherheitsabstand.
Kunst zu erleben ist in aller Regel ein beschränktes Erlebnis.
Sind wir Autoren
nicht exhibitionistisch? Wir legen unsere Gedanken und Phantasien offen, ohne
dass ein Wärter den Leser gemahnt gebührenden Abstand zu halten. Der Leser kann
alles, was wir ihm anheim geben, mit sich tragen, sein Eigen machen, nach
seinem Gusto weiterentwickeln und formen.
Was wohl geschehen
würde, wenn wir so mit Kunstwerken umgehen dürften? Picassos „Blaube Taube“
ausgemalt? Beuys´ Installation zur Seite gerückt?